'Gesture', 1994
Nam Tchun-Mo's Gebärdensprache
reicht sehr weit zurück: Sie kommt der tierisch-wilden Vergangenheit
des Menschen nahe und wurzelt in ihr. Tchun-Mo' Gebärde spricht gleichzeitig
den Intellekt des emporgerissenen Europäers an. Das gibt den Bildern
von Nam Tchun-Mo die Urkraft der Gebärde, die zugleich Bewegungsrichtung
einer Selbstbefreiung ist, nach der wir Europäer noch immer suchen.
Nam Tchun-Mo,
der seine feine, gelehrte Ausbildung in Korea erhielt, lemte von der Pike
auf. Seit 1983 sind seine ersten Akte in Farbe nachweisbar. Es scheint,
man habe es mit einem nüchternen, koreanischen Cézanne zu tun.
Es schließen sich unmittelbar abstrakte Kompositionen Mitte der 80er
Jahre an. Sie werden immer wilder: Die Erde. als Zentrum der suchenden Gebärde
Nams, tritt deutlicher in seinen Gemälden hervor. Nicht als Form, sondern
als Element wahrer Naturhaftigkeit. Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er
scheint sich das abstrakte Beginnen zu erschöpfen. Abgrund und Nullpunkt
schließen sich an. Thematisch: Die Gebärde wird virulent zu Beginn
der 90er Jahre. Gleichzeitig laboriert Nam im Elementaren: Welten unter
der Oberfläche des Sichtbaren, fließend, urschöpferisches
Chaos. Die Farben der Erde kristallisieren sich heraus: Chemisch geradezu
die Braun- und Ockertöne dieser elementaren Vision. Struktur und Geist
geben den Einschlag des Jetzt in den 90er Jahren – ein Erde-Fest:
Dem Chaosfluidum werden erste Lichter aufgesteckt in Gold und Regen.
Nam bevorzugt
in seinen Bildern die Farben der Erde: Lichthafte Ockertöne, gedämpft,
verhalten bilden das Zentrum, das Zeichen, auf grau oder schwarz getufftem
Grunde bildet die Mitte einer sich spannend gespannten Struktur. Nams Gebärde.
Die Wildheit der Geste, einem gespannten Bogen gleich, erstarrt für
einen Moment in der Abstraktion der Freiheit: Gebärde, vibrierend,
die Richtung weisend, in die der Pfeil schnellen will.
Für den
Europäer ein spannendes Ereignis, dem Künstler auf seinen Spuren
durch die Elementarkraft der Natur zu folgen.
Thomas Illmaier
Publikation der Galerie Epikur, Wuppertal 1994.