DER RAUSCHGOLDENGEL
Psychedelic Memory heißt eines der Gemeinschaftsbilder
von Frank Breidenbruch und A.R. Penck. Beide Künstler teilten vor Jahren
ein gemeinsames Atelier in Carara, dem berühmtesten
Steinbruch der Welt.
Beide Künstler wußten so gut wie nichts von einander, und das war
gut so. A.R. Penck, der aus Ostdeutschland stammende und inzwischen weltberühmte
Maler aus Westdeutschland, war Frank Breidenbruch gar kein Begriff, jedenfalls
nicht zum Zeitpunkt ihrer Begegnung. Der Funke sprang über, als Breidenbruch
den Penck eines Morgens vor einem Stück Carara Marmor knien und dem unerlösten
Stein auf einer Flöte vorspielen sah, als gelte es, ihn zu beleben. Aus
der toten Materie Leben erwecken: Hier berührten sich die Traumwege beider
Künstler.
Frank Breidenbruch
lebt in Indien, in der Toskana und im Bergischen Land in und um Wuppertal.
Spiritualität, Renaissance und eine unverwüstliche Bodenständigkeit
kennzeichnen den Künstler Frank Breidenbruch, der eigenen Angabe zufolge
in Wuppertal 1963 reinkarnierte. Auf seinen Reisen nach Südostasien begegnete
er aber nicht nur den Buddhas, Shivas und Ramas sondern auch den psychedelischen
Pilzen inmitten einer Kultur, die als die psychedelische Kultur par excellence
gilt, die Götter- und Dämonenwelt Balis. Auf einer der kleinen Inseln
vor Bali, auf Cili Teranwagan bei Lombok, entdeckte er den Reiz der psychedelischen
Vision inmitten einer für psychedelische Reisen idealen Kulturlandschaft.
Auch heute noch gehören die Trancetänze und Affengesänge (Ketjak)
der Balinesen zu den stärksten Ausprägungen psychedelischer Musik.
Für Cili Teranwagan schuf Breidenbruch die Skulptur Seegurkenheilige,
plazierte sie am Strand der Insel und richtete sie auf ihr Pendent, die Kleine
Meerjungfrau vor Kopenhagen, aus.
Scherz und Verspieltheit
kennzeichnen den Künstler Frank Breidenbruch und sein Werk. Er hat als
heranwachsender Jugendlicher ausgedehnte psychedelische Reisen unternommen,
mit LSD und den Psilocybinpilzen. Bei einer dieser Gelegenheiten waren er
und sein Freund unerwartet Franks Mutter begegnet, die recht seltsam aussah
und in der Hand einen Schrumpfkopf hielt, was die beiden Jungs aber keineswegs
aus der Fassung brachte. Beinahe aber doch; denn sie konnten sich das Lachen
kaum noch verbeißen. Später stellte sich heraus, daß die
Mutter keinen Schrumpfkopf in den Händen hielt sondern einen weihnachtlichen
Rauschgoldengel. Welt der Halluzinogene! Witz, Scherz und das untrügliche
Gefühl für die Relativität des Daseins, den Zweifel am Wirklichkeitswert
überhaupt sind gewachsene Erfahrung, die Breidenbruch vor allem seinen
psychedelischen Reisen verdankt. Das Spirituelle nicht zu vergessen. In einer
Zeit, in der Spiritualität eher verdrängt als gelebt wird, waren
LSD und die Kunst Schlüssel und Methode, Spirituelles wieder bewußtzumachen.
Breidenbruchs Zyklus’ Ramas Tanzbein, entstanden während seiner
Indienreise 1993, gibt davon Zeugnis. Die psychedelischen Erinnerungen sind
stets gegenwärtig, ob er nun malt oder bildhauert. Seine Skulpturen,
germanischen Füllhörnern nachempfunden, oder wenn er Drachenzähne,
wie seine Himmlischen Stürzer, in die Erde sät, stets erinnern sie
an ihre kosmische Herkunft, Antennen gleich, mit denen Breidenbruch geistige
Energie aus der Weite des Himmels auf die Erde zieht. Er baut Heiligtümer,
die „Vision“, wie er sagt, „von Kathedralen, Dom und Tempelbau
in sich tragend.“
Nun, die Drachenzähne
sind gesät, sie zieren heute – Penck hat wieder mitgeholfen - den
Vorplatz der Stadtsparkasse Wuppertal.
Thomas Illmaier
Zschr. Hanf, 2/1999, S. 20. Nachdruck in: Thomas Illmaier: Die Steppe. Vogtsburg-Bischoffingen, 1999.
Foto 1: Frank Breidenbruch/A.R. Penck: Psychedelic Memory. Untertitel: Und
er ergriff den
Zweifel an der Wurzel.
Foto 2: Frank Breidenbruch reinkarnierte, eigenen Angaben zufolge, 1963 in Wuppertal.
Foto 3: Drachenzähne. Skulpturengruppe von Frank Breidenbruch. Gravur
von A.R. Penck.
Vorplatz der Stadtsparkasse Wuppertal.
Foto 4: Drachenzähne (Detail).