Konzept-Künstler Daniel Buren in Düsseldorf ausgestellt
Häßlichkeit ist unser täglich Brot
Cabanes éclatées heißen sie, die zersprungenen
Hütten von Daniel Buren. ,,Er ist in Frankreich sehr berühmt!“
antwortete mir der Düsseldorfer Maler Michael Burges auf meine Frage,
wer Daniel Buren sei. Und da ich den Namen deutsch aussprach, verbesserte
er mich: ,,Daniel Büreen!“
Burens Installation
in der Hauptstadt des Rheinlandes, Düsseldorf, nennt sich ,,Erscheinen
– Scheinen – Verschwinden“ – vor Ort, in situ, wie
der Künst1er sagt, aufgebaut in der 47 Meter langen und 12 Meter breiten
Kunsthalle – kein Blickfang zwar, aber beunruhigend genug.
Wie viele seiner
Generation von 68ern ging auch Buren zunächst aus von der Verneinung
dessen, was Kunst war. Als sich die Malerei der 60er Jahre um einen Nullpunkt,
,,ZERO“, gruppierte, der das Ende nicht nur des Denkens, sondern schon
aller Wahrnehmung bedeutete, war auch Daniel Buren von solcher Radikalität
angesprochen. In der denkwürdigen Ausstellung des ,,Salon de la Jeune
Peinture“ 1967 in Paris zogen die Maler, unter ihnen Buren, am Abend
der Vernissage ihre Bilder zurück. Zurück blieben die weißen
Wände. Buren kam zurück – aber nicht zum Malen, sondern um
sich die Räume genau anzusehen, in denen sein Konzept entstehen soll.
,,In situ“, vor Ort, wird er künftig mehr bauen als bloß
malen. Der Architekt meldet sich zu Wort und führt einen zwanglosen,
doch rigiden Dialog mit dem Maler, der Buren ja doch auch bleibt.
Daniel Buren begann
die Salons zu verschönern, dann machte er sich an die Paläste. Einflußreiche
Gönner verschafften ihm Aufträge, etwa die Verschönerung des
Ehrenhofs im Palais Royal de Paris und anderer. Dann zog er durch die Straßen
und lernt auf diese Weise, die Umgebung – wie sie auch sei – kalkulierend
in sein Werk miteinzubeziehen. Ironisierend bemerkt er: ,,Die Wichtigkeit
der Orte und Kontexte außer acht zu lassen und zu denken, dem Werk eigne
eine solche Autonomie, daß es sich selbst genüge, bedeutet, um
eines von Hunderten möglicher Beispiele zu nehmen, eine Mülltonne
voller Abfall von Armen in einem Slum auszustellen und die mittellosen Bewohner
zu dem Glauben und der Akzeptanz zu bewegen, daß es sich um ein Meisterwerk
handelt!“ Der Begriff des Schönen nimmt eine gänzlich andere
Gestalt an, wenn es darum geht, sie als Kunst zu behaupten, ,,wenn man genötigt
ist festzustellen, daß Häßlichkeit und Vulgarität unser
täglich Brot sind.“
Mit den Erfahrungen
von der Straße kam Daniel Buren in die Museen zurück. Er baute,
maß, kalkulierte, malte hier und dort, bediente sich aber hauptsächlich
optischer Präzisionsteile, vor allem des Spiegels. Daran interessierte
ihn vor allem, daß der Spiegel dazu verhilft, ,,besser zu sehen, mehr
zu sehen, oder, besser noch, zu sehen, was ohne Spiegel überhaupt nicht
sichtbar wäre.“
So leuchten die Spiegel
in Burens Düsseldorfer Ausstellung ,,Erscheinen – Scheinen –Verschwinden“
die Kunsthalle Nordrhein-Westfalen aus und spiegelt gleichzeitig das Innere
der Hütten, deren Türen herausgesprungen und die ohne Dächer
sind. Ein Rundgang durch die Ausstellung läßt in den Spiegeln die
präzisesten, hübschesten, überraschendsten Spiegelungen ,,konstruktivistischer“
Gemälde erscheinen, scheinen und verschwinden, bei jedem Schritt neu.
Cabanes éclatées,
die zersprungenen Hütten, sind neben den Spiegeln das Hauptelement von
Burens Schau. Die Hütten haben keine Türen, d.h. Türen, die
drei Meter entfernt frontal zum Eingang plaziert sind; sie haben auch keine
Dächer, sind dabei farbig: absinthgrün, blau, brillantorange, gelb,
hellblau, hell-grün, rosa. Die Orte laden nicht zum Verweilen ein, trotz
der je nach Bewußtseinszustand magischen Wirkung der Farben selbst.
Die Türen sind offen, die Spiegel bringen wie in einem Labyrinth Unendlichkeiten
dar, die man als Endlosspiegelungen nie erreichen kann.
Thomas Illmaier
Bis 27. Oktober in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.
Junge Freiheit, 37/1996, S. 14. Bild: Cabanes éclatées (Ausschnitt).