Herr der Zauberpilze
Der LSD-Erfinder Albert Hofmann wird 90 Jahre alt

Von Thomas Illmaier

Der Baseler Naturstoffchemiker Albert Hofmann, der 1938 in den Forschungslabors von Sandoz erstmals LSD synthetisierte, wird am 11. Januar 90 Jahre alt. Noch bis 1971 arbeitete Hofmann bei dem Pharmariesen, zuletzt als Leiter der Abteilung Naturstoffe. Weniger bekannt als seine spektakuläre LSD-Entdeckung ist seine Synthese des psychoaktiven Psilocybins, Hauptwirkstoff der südamerikanischen Pilzart psilocybe mexicana. Hofmann hatte Kenntnis von diesen Pilzen durch den New Yorker Bankier Gordon Wasson, der sie seinerseits von der mexikanischen Schamanin Maria Sabina erhalten hatte.
Hofmann ließ die ,,Zauberpilze“, deren ritueller Gebrauch bis in die präkolumbianische Zeit der Maya- und Aztekenkultur zurückreicht, in den Labors von Sandoz analysieren. Tatsächlich gelang ihm die Synthese der psychedelischen Wirkstoffe Psilocybin und Psilocyn in reiner kristalliner Form, woran sich französische und US-Forscher vergeblich versucht hatten. 1958 konnten erste Ergebnisse publiziert werden. Während Psilocyn durch den Sauerstoff der Luft schnell zerstört wird, ist Psilocybin eine stabile Substanz.
Psychedelika sind, dem Wortsinn nach, »die Seele offenbarende« Stoffe. Als verantwortungsvoller Chemiker, der sich nicht in ethische Probleme verstricken wollte, probierte Hofmann seine Substanzen zunächst im Selbstversuch aus. ,,Es geht nicht an“, sagt Hofmann, ,,daß ein Forscher einen Selbstversuch, den er für seine eigenen Untersuchungen benötigt und der zudem ein gewisses Risiko in sich schließt, jemand anderem überträgt“
Hofmann gilt in Fachkreisen als der bedeutendste Naturstoffchemiker unserer Zeit. Neben LSD und Psilocybin beschäftigte sich auch mit den psychedelischen Eigenschaften gewisser Windengewächse (Convolvulaceae) wie dem mexikanischen ,,Ololiuqui“, das bereits von den Azteken und anderen Indianerstämmen in religiösen Zeremonien und schamanistischen Heilritualen verwendet wurde. LSD und Psilocybin wurden bis in die 60er Jahre als Psychopharmaka, im klassischpn Sinne als ,,Heilmittel der Seele«, in der Psychotherapie eingesetzt. Bedingt durch den Massenkonsum von I.SD und anderen Psychedelika unter der Jugend der 60er Jahre wurden diese Substanzen schließlich weltweit verboten. Ihr Einfluß auf Kultur und Gesellschaft – Musik, Kunst und die Studentenrevolte einschließlich der ganzen psychedelischen Kulturrevolution – dürfen jedoch nicht unterschätzt werden. Mit der LSD-Kultur kamen sexuelle Befreiungsbewegung sowie politisches und kulturelles Rebellentum.
Nur die Naturwissenschaften erlitten durch das Verbot von LSD einen erheblichen Forschungsrückstand. Erst seit den 90er Jahren bemühte sich das Europäische Collegium für Bewußtseinsstudien, dessen Vizepräsident Albert Hofmann ist, um die Freigabe der Psychedelika für die Psychotherapie. Nach Pilotversuchen mit staatlich genehmigtem LSD in der Schweiz soll nun auch in Deutschland ein Programm durchgeführt werden.

FRANKFURTER RUNDSCHAU, 6. Jan. 1996, S. 8.

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