ALDOUS HUXLEYALDOUS HUXLEY
von Thomas Illmaier

Aldous Huxley gehört zu den großen Propheten der kurzzeitigen Erleuchtung durch Drogen, die die rechte Hemisphäre unseres Gehirns erleuchten und einen direkten Zugang zur Jenseitswelt verschaffen, ohne daß derjenige, der sie nimmt, für immer drüben bleibt: Von einem goldenen Schuß durch Meskalin, LSD oder gar Cannabis kann keine Rede sein. Huxley widerstand, trotz Krebs und großer Schmerzen, der Verführung durch Opiate.
Der Haschisch kommt bei Aldous aber schlechter weg als etwa bei seinen Zeitgenossen wie Gottfried Benn, Rudolf Gelpke oder anderen. Die Skepsis gegenüber dem Grünen aus dem Orient teilt er aber beispielsweise mit Ernst Jünger, der diese Pflanze in unseren Breiten gar nicht heimisch werden lassen wollte und sie als „taub“ in unserem Klima beschrieb. Während Jüngers Fehlurteil bedingt war durch eine psychotische Episode nach dem Genuß von Cannabis-Extrakt (daher die Abwehr), handelt es sich bei Huxley um eine Charakterlosigkeit.
Über Dinge zu urteilen, die man nicht kennt, ist die alte Schwäche des Menschen, seine Vorwitzigkeit. Huxley in seiner Unbedenklichkeit schrieb sein großes Buch „Brave New World“ ohne jede Drogenerfahrung und stellte eine Droge, Soma (nach altem Vorbild) genannt, in den Mittelpunkt. Soma war denn auch ein Glücksbringer: Euphorisierend, halluzinogen und ohne jegliche Nebenwirkungen. Meskalinhaltige „wilde“ Getränke wie der Peyote-Trunk in Huxleys Utopie sind lediglich zum Rülpsen und zum Schlafen da. Das, wie gesagt, bevor er jemals Meskalin eingenommen hatte.
Aldous Huxleys Einstellung zum Meskalin änderte sich allerdings, nachdem ihm solches angeboten worden war und er tatsächlich davon Gebrauch gemacht hatte. Seine Einstellung zum Haschisch, den er als gefährlichen, wenigstens nicht harmlosen Visionenbringer ansah, änderte er nie, und bis heute gibt es keinen Beweis, daß Huxley jemals Marihuana oder Haschisch zu sich nahm.
Die juwelengleiche Erfahrung mit Meskalin und später mit LSD diktierte Huxley manchen schönen Essay und luzide Romane in die Feder. Die Entdeckung des Juwelenrausches durch Meskalin ließ ihn die Jenseitswelt von nun an mit offenen Sinnen erforschen. Er stellte die These auf, daß die Jenseitswelt, die Antipoden unseres Geistes, immer verfügbar ist; denn man kann sie bereisen und ihren Glanz durch Nahtoderfahungen oder die halluzinogenen Schlüssel wie Meskalin, LSD oder Pilze erfahren. Die kostbaren Bilder, die uns der Meskalinrausch beschert, gehören zum Interieur der Jenseitswelt. Schöne Frauen, Juwelen, Feuerwerk und schöne Kleider sind ein Abglanz der Jenseitswelt, deren Bilder durch Nahtoderfahrungen, Halluzinogene oder mystische Meditation entdeckt und lebendig werden. In ihnen, den Frauen, Juwelen und rauschenden Festen des Menschen sah Huxley den Abglanz der Jenseitswelt, an die wir durch den Anblick von Juwelen, göttergleichen Frauen (und Männern), durch Licht und Feuer erinnert werden. Darin liegt ihr eigentlicher Wert, der zeichengleich Terrain im Jenseits absteckt und vorbildlich macht. Künstler sind darum für Huxley eigentliche Bodhisattvas, erleuchtete Wesen, die mit ihren Farben, berückenden Formen Kreationen schaffen, die uns ans Jenseits erinnern: Das Paradies ist keine Erfindung. Seine Bilder beruhen auf Erfahrung. Huxley entdeckte im Meskalin, dem LSD, den Pilzen die Schlüssel dazu.
Aldous Huxleys letzte große Utopie „Island“ integriert den Pilzkult ins Hier und Jetzt zeitgenössischer Lebens- und Welterfahrung. Ein entwickelter Hippie-Staat, in den der erzieherische Auftrag eingegangen ist, die halluzinogenen Pilze als Mittel der Initiation zuzeiten der großen Lebenswenden in Anwendung zu bringen. Daß das mit autoritärer Staatsgewalt kollidieren mußte, sah Huxley klar voraus. Unvergessen sind die Bilder des Abschieds der wirklich schönen Welt, als die Panzer das Hippieparadies erobern: Schüsse, Maschinengewehre, Scheinwerfer, die das Antlitz des Buddha gespenstisch erleuchten, der Symbol der halluzinogen geschwängerten Soma-Republik geworden war.
Daß Halluzinogene Schüssel zur Erleuchtung sind, teilt Huxley mit den großen Dichtern seines Jahrhunderts: Ernst Jünger, Gottfried Benn und all jenen, die ihm das Material dafür zurüsteten. Erleuchtung, Buddha, Spiritus rector in Form der Halluzinogene und durch Meditation. Meditation und eine geistige Einstellung, die Schlüssel zum Paradies wie bewußtseinserweiternde Drogen befürwortet, waren ihm untrennbar verbunden. Huxley starb als Buddhist und Psychedeliker. Erleuchtung war ihm die volle Bewußtheit der Gegenwart als Gegenwart; denn Zeit in jeglicher Form und Ekstase war ihm Illusion. Volles Gewahrsein der Gegenwart, das war ihm und ist tatsächlich die vollkommene Erleuchtung. Durch den Genuß von Psychodelika (Huxleys Schreibweise) öffnet sich die totale Gegenwart. Der Preis der vollkommenen Erleuchtung aber ist der Tod. Deshalb sind wir jenseits unserer biologischen Nische und mit dem totalen Gewahrsein dessen, was ist konfrontiert, lebensunfähig. Ein Gang über die Straße unter LSD-Einwirkung birgt indessen das Risiko in sich, mit Gewalt die Entschränkung ich-illusionärer Welt zu vollziehen. Wer hinter die Kulissen blickt, schaut rückwärts oder ist vielmehr dieser zersplitterten Welt und ihrer Erfahrung enthoben, er schaut sich das Ganze im Vollspektrum an, geht auf im Ganzen, ohne einen karmischen Rest. So etwa stellte sich auch Huxley die Erleuchtung vor.
Als Buddhist war Huxley ein hervorragender Sterbebegleiter. Als seine Frau Maria starb, raunte er ihr die Verse des Tibetanischen Totenbuches ins Ohr, um sie weiter und tiefer ins klare Licht der Erkenntnis zu führen. Das Licht der totalen Gegenwart. Als es selbst mit ihm zu Ende ging, erbat er sich von Laura, seiner guten Fee, zweimal LSD und ließ sich von ihr ebenfalls ins klare Licht führen.
Eine der großen Episoden im Sterben der Menschheit; Huxleys Berispiel ist bis heute das eines absolut todesmutigen Adepten, der das, was er gepredigt hatte, auch wirklich praktizierte.
Aldous Huxley verband einen Pioniergeist mit einem unerschütterlichen Vertrauen ins göttlich gefügte Universum. Daß „das Universum - trotz Leid und Tragik - »in Ordnung« ist...“ Was uns den Blick aufs Ganze und seine fundamentale geistige Gesundheit, die es durchpulst, hindert und versperrt, ist unsere Todesangst. Wird sie überwunden durch den Gebrauch von Psychedelika, die Erfahrungen der Jenseitswelt ermöglichen, dann stellt sich ein: „Ein Gefühl der Übereinstimmung mit der Welt und ihrem geistigen Prinzip und die Überzeugung, daß - trotz der Leiden und dem Bösen und allem sonst - alles irgendwie in Ordnung ist.“ Huxley knüpft damit direkt an die Eleusinischen Mysterien der Antike an, deren Impuls auch ihn und nach zweitausend Jahren christlicher Verdrängung und Unterdrückung immer noch traf: „Nicht nur haben wir“, wie Cicero mit Blick auf die Eleusinischen Mysterien bezeugt, „dort den Grund erhalten, daß wir in Freude leben, sondern auch dazu, daß wir mit besserer Hoffnung sterben.“

Zschr. Hanf, 7/1998, S. 18-19.

Kasten

Aldous Huxley

Schöne neue Welt. (Fischer, 1995)
Wiedersehen mit der schönen neuen Welt. (R. Piper, 1994)
Die Pforten der Wahrnehumg/Himmel und Hölle. (R. Piper, 1995)
Gott ist. (Scherz, 1993)
Eiland. (R. Piper, 1996)
Moksha. (R. Piper, 1998)
Laura Huxley: This Timeless Moment. (Mercury House, 1991)


Bild 1: Die Antipoden des Geistes. Arnold Povilionis "Ohne Titel", Öl auf Leinwand, 145 x 165 cm, 1995.

Bild 2: Aldous Leonard Huxley (1894-1963).

Bild 3: Die letzte Bitte: „LSD - Try it... 100 microgramm intramuscular“

 


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