Kernkraftwerk Krümmel KKK ALTER SCHWEDE

Offener Brief

An den Leiter des Kernkraftwerks Krümmel

Hr. Dipl.-Ing. Hans-Dieter Lucht

Sehr geehrter Herr Lucht,

unter dem Titel „Nachrichten für Nachbarn“ werben Sie als Leiter des Kernkraftwerks Krümmel in Geesthacht/Elbe, 15 Km östlich von Hamburg entfernt, derzeit in der Lokalpresse sogar mit Ihrem Foto für mehr Akzeptanz des von Ihnen geführten Atombetriebs. Sie möchten mit Ihrer Veröffentlichung – einer von Vattenfall bezahlten Anzeige – für die angebliche Sicherheit des Atomkraftwerks in Geesthacht an der Elbe Vertrauen erwecken und sprechen uns Anwohner freundlich als „Nachbarn“ an.

Sie verschweigen allerdings, dass die Atomstadt Geesthacht mit ihren Atomanlagen Vattenfall Kernkraftwerk Krümmel und atomarem Forschungszentrum GKSS wegen ihrer andauernden Bedrohungslage hochsicherheitsgefährdet ist, nicht nur wegen nicht abreißenden menschlichen und technischen Versagens im Vattenfall Kernkraftwerk Krümmel sondern auch, weil die Geesthachter Atomanlagen jederzeit zum Angriffsziel islamistischer Terroristen werden können, insbesondere aus der Luft, wogegen es keinerlei Schutz gibt und noch nicht einmal das Recht auf Schutz, wie das ohnmächtige Gestammel des amtierenden Verteidigungsministers Jung beweist, der unter Berufung auf den „übergesetzlichen Notstand“ Passagierflugzeuge in der Hand von Terroristen in der Luft abschießen lassen will, wohlwissend, dass es vom internationalen Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel bis zu den Geesthachter Atomanlagen an der Elbe nur wenige Flugminuten sind. Ein terroristischer Angriff auf die Geesthachter Atomanlagen würde ganz Nordeuropa in Mitleidenschaft ziehen, bedrohen und eine atomare Katastrophe ungeahnten Ausmaßes heraufbeschwören, wenn Geesthachts größter Siedewasserreaktor der Welt in die Luft ginge!

Sie verschweigen auch, dass rund um die Geesthachter Atomanlagen sich der größte Leukämie-Cluster der Welt gebildet hat mit bislang 21 an Leukämie/Blutkrebs erkrankten Kindern, vier von ihnen sind bereits tot. Dennoch soll das Vattenfall Kernkraftwerk Krümmel im Mai 2009 wieder ans Netz gehen, ohne dass das Leukämieproblem gelöst und die Sicherheit unserer Kinder gewährleistet wäre! Auch wenn Bürgermeister und Büttel Geesthacht zur „sichersten Stadt im Hzgt. Lauenburg“ küren, geht es doch wohl nicht an, dass man in Schleswig-Holstein, das ein Drittel seiner Energie aus dem Vattenfall Kernkraft Krümmel bezieht, Kinder auf dem Altar von Wohlstand und Wachstum zum Opfer bringt, damit der Kieler Landesregierung im Düsternbrooker Weg die Lichter nicht ausgehen und keiner kalte Füße bekommt. Solche Grausamkeit, dass die Deutschen ihre Kinder zum Opfer bringen um irgendeines vermeintlichen Vorteils willen wie Wohlstandsenergie, so dachten wir, wäre mit NS- und SED-Diktatur zugrundegegangen, aber das Gegenteil ist der Fall.

Dass Sie in Ihrer o.g. Werbung ausgerechnet Ihren Telefonisten Joachim Kedziora als Kommunikationsboje angeben, falls wir noch Fragen haben sollten, lässt ja tief blicken. Haben Sie eigentlich ein gestörtes Verhältnis zu den Dimensionen der Vernichtung? Oder warum bewerben Sie auf Ihrer Website www.vattenfall.de unter Dokument P02111961.pdf die Stadt Geesthacht mit ihrem Ortsteil Krümmel  als „Industriestandort mit Tradition“, nur weil Alfred Nobel in Geesthacht 1866 das Dynamit erfand und in Folge dessen damit begann in Krümmel eine der größten Sprengstofffabriken Europas zu errichten? Alter Schwede! Sie haben Ihren Telefonisten nicht gefragt. Der weiß nämlich als Freizeit-Historiker und langjähriges führendes Mitglied des Heimatbundes und Geschichtsvereins Hzgt. Lauenburg e.V., was Sie auf Ihrer Website verschweigen, dass nämlich der „Industriestandort mit Tradition“, sprich: die Geesthachter Sprengstofffabriken im 20. Jh. zwei deutsche Angriffs- und Vernichtungskriege mit Munition versorgten. In Hitlers Sprengstofffabriken in Geesthacht schufteten während des II. Weltkrieges bis zu 20.000 Fremdarbeiter, welche das NS-Regime zwang, dass sie die Munition für Hitlers Angriffs- und Vernichtungskrieg einschließlich Holocaust her- und bereitstellten. Die Opfer der Geesthachter Vernichtungsfabriken, mit die größten „Kriegsmusterbetriebe“ der NS-Zeit, dürften die Opfer an Toten, Verwundeten, Verstümmelten, Wahnsinnigen und Gebrochenen der nahe bei Geesthacht gelegenen KZ Neuengamme und KZ Bergen-Belsen bei weitem übersteigen, was man sich „auf Halde“ vorstellen muss, um einen Begriff von den Dimensionen der Vernichtung zu erhalten. Sie befinden sich doch mit Ihrem Atom-Musterbetrieb mitten in den sich noch immer über ein Gebiet von 3,5 qkm weit erstreckenden Ruinen von Hitlers Vernichtungsfabrik, durch das Ihr Nachbar, das atomare Forschungszentrum GKSS, touristische Führungen, sog. “historische Spaziergänge“, organisiert. Will man Auschwitz dabei den Rang ablaufen? Nur ist Auschwitz eine Gedenkstätte, Geesthacht ist es nicht. Der Geist ist hier ein anderer, was man nicht zuletzt daran sieht, dass Ihr Nachbar GKSS, von dessen Grundstück das Ihre nur durch einen Zaun getrennt ist, sich stolz einen originalen, tonnenschweren, aus massiv Granit bestehenden Säureschieber aus Hitlers Geesthachter Vernichtungsfabrik von 1944 mitten in seine Forschungsanlagen an der Max-Planck-Straße direkt vor das Technikum stellt, weithin sichtbar im öffentlichen Raum – als Denkmal und Monument. Jetzt sollen sogar eine halbe Million Euro – mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise – aus der Denkmalkasse fließen, um Hitlers High Tech zur Vernichtung der Welt selbst für Kinder erfassbar unter museumspädagogischen Gesichtspunkten museal aufzubereiten. Was dem einen Dorf der Eselspark, ist dem anderen die Vernichtung, Hauptsache der Tourismus boomt; das PR-Desaster macht Geesthacht international nur noch bekannter.

Sie sehen, Herr Nachbar, alles das ist machbar.

Thomas Marcus Illmaier M.A.

www.philosophia-online.com

„Nachrichten für Nachbarn“ - Vattenfall, Werbung für das Kernkraftwerk Krümmel, 2009

Wochenend-Anzeiger, Kurt Viebranz Verlag, 27. März 2009/ 13. KW, S. 5; www.viebranz.de

Bergedorfer Zeitung / Lauenburgische Landeszeitung, 28. März 2009, S. 25

Bergedorfer Zeitung / Lauenburgische Landeszeitung, Wochenblatt, 25. März 2009, S. 3

Atomstadt Geesthacht, Lauenburgische Landeszeitung, amtliches Mitteilungsblatt:

http://www.geesthacht.de/showobject.phtml?object=tx|25.1224.1&i_fb=100%

Bild: Kernkraftwerk Krümmel, Südwest-Seite. Foto: Svetlana Zunder, 2009.

 
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