Winddurchzauste
Installation
im Von-der-Heydt-Museum
Susanne Kessler stellt Tempel-Zelt-Labyrinth aus
,,Man müßte wieder Tempel bauen.“ Diese
Aufforderung bleibt nicht leer angesichts der vom Wind durchzausten Zeltkonstruktion,
eines Labyrinths, das Susanne Kessler zur Zeit im Von der Heydt-Museum aufgespannt
hat. Schon mit ihrer eigenwilligen „Golgatha“-Installation, die
nur aus drei mit Stoffetzen behangenen Leitern besteht, welche die Grundkomposition
fast unsichtbar machen, ließ Susanne Kessler ihren Zweifel spüren:
Die herkömmliche Kreuzigungsdarstellung hat vielfach ihren Sinn verloren.
Zwar strebt der Mensch aufwärts (daher die Leiter), aber keiner der modernen
Karrieristen strebt dem Kreuzweg Christi nach. Was einen aber an der Spitze
der steil aufwärts strebenden Leiter erwartet, das läßt Susanne
Kessler im Dunkeln. Der verborgene Sinn des Kreuzes wird dadurch erhöht.
Den Weg des Strebens geht jeder allein.
Die neuere Installation
,,Man müßte wieder Tempel bauen“, derzeit im Bürgersaal
des Von der Heydt-Museums zu sehen, ist so ,,wichtig“ und entmaterialisiert
durch Stoffetzen und labyrinthische Gänge, daß sich das Kunstwerk
selbst in Frage stellt. Auf der schmalen Grenze zwischen Sein und Nichtsein
spannt sich das Gotteszelt und genügt doch nicht. Eben drum, die Künstlerin
weiß darum: Man müßte wieder Tempel bauen.
Susanne Kessler aus
Wuppertal mit Wahlheimat in Rom bringt mit ihrem Tempel-Zelt-Labyrinth auch
einen Hauch Offenbarung aus der Ewigen Stadt ins Wuppertal, etwas von Wüste,
vom Sinai. Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Dezember zu sehen, dienstags
bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 21 Uhr.
Thomas Illmaier
DER WEG, 49/1994, S. 7.