Otto Roche Keine Ruhe mit der Politik
Otto Roche geht in den Ruhestand

Otto Roche, vielen In Wuppertal bekannt als Leiter der Politischen Runde der VHS, Förderer der schönen Künste im Tal und Dezernent, mit hoheitlichen Aufgaben des Regierungspräsidenten betraut, tritt in den Ruhestand. Für die Wupper Nachrichten entwirft Thomas Illmaier ein Portrait des auch weiterhin aktiven Ruheständlers.

Otto Roche zieht sich nur von seinen Schulämtern zurück. Den Vorsitz in der Bergischen Kunstgenossenschaft (BKG) und die Leitung der Politischen Runde der VHS wird er behalten. Er war und ist so etwas wie ein Allround-Beamter: für die Regierung, aber gleichzeitig für die Regierten, wie die oft wenig geförderten Künstler tätig. Er vertrat politische Interessen der Sozialdemokratie und lehrte auch als Historiker an der Bergischen Universität politische Bildung. Er diente vielen Interessen, diente aber vor allem einem Herren, nämlich dem der Sicherheit.
Als Jahrgang ’29 fiel es ihm nach dem Krieg nicht schwer, Lehrer zu werden, Beamter mit Sicherheit auf Lebenszeit. Er diente dem sozialdemokratischen Staat in Nordrhein-Westfalen bis zu seiner Pensionierung mit wachsender Kompetenz. Mit Kompetenz soll hier eben auch heißen: mit wachsender Machtbefugnis. Seit 1956 lehrt er am Carl Duisberg-Gymnasium Deutsch und Geschichte. 1950 schert er aus und wird Direktor des Abendgymnasiums in Wuppertal. Von nun an wird der Zweite Bildungsweg sein Hauptarbeitsgebiet. 1978 gründet er das Bergische Kolleg.
Er wird zum Dezernenten beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf ernannt und führt die Schulaufsicht über die Schulen des Zweiten Bildungsweges. Rache selbst sieht sich seitdem als “Kläranlage“ – mit dem Schmutz beworfen, den dieser Job mit sich bringt. Er muß die hoheitlichen Interessen der Regierung wahren, zugleich aber auch die entscheidende Beschwerdeinstanz für die unteren Ränge sein. Und dazu ist er offenbar fähig. Er klärt die Lage und bringt divergierende Interessen an einen Tisch. Sein politisches Talent tritt offen zu Tage.

Der politischen Bildung Geltung verschaffen

Als Schulmann pflegt er die politische Bildung und verschafft ihr in der Leitung der Politischen Runde der VHS Geltung und Respekt. Die Politische Runde wurde dabei eine Institution. Sie war Ziehkind, nicht nur Roches, sondern der in NRW allmächtigen Sozialdemokratie.

Grußwort von Willy Brand

Zum 30jährigen Bestehen der Runde schickte Willy Brandt 1991 ein Grußwort, zu dem noch etwas zu sagen sein wird.
Friedrich Nowottny, Intendant des WDR, erschien persönlich zum Jubiläum, an dem alles teilnahm, was Rang und Namen hatte. Nichtsdestoweniger bleibt es eine Leistung Roches, eine politische Runde über 30 Jahre am Leben zu erhalten und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Gegründet nach dem Mauerbau 1981 wurde sie zu einem wöchentlichen Treff politisch Interessierter in Wuppertal. Ein wichtiger Aspekt dabei waren Reisen. Teilnehmer der Politischen Runde, soweit sie schon jahrelang dabei sind, wurden Weltreisende in Sachen Politik. Man informierte sich über Weltpolitik vor Ort: in Indien, Kuba oder im fernen China. Natürlich konnte sich nicht jeder die Fernreisen leisten. So blieben auch lokale Themen auf dem Programm. Für jeden Geldbeutel etwas.
WilIy Brandt schrieb zum 30jährigen Bestehen der Politischen Runde ein Grußwort, das umso bemerkenswerter ist, als es die Tendenzen und Impulse der Zeit zusammenfaßt. Die Aufbruchstimmung der 60er Jahre kam der Poltischen Runde und der Sozialdemokratie entgegen. Zur Erinnerung: Willy Brandt war der erste sozialdemokratische Kanzler, und seit 1966 ist die SPD erstmalig an der Regierung der Bundesrepublik Deutschland beteiligt, und zwar in der von Herbert Wehner betriebenen Großen Koalition.
Auf dem Höhepunkt der Studentenrevolte 1968 lud Roche sogar Studentenführer aus Berlin ein. An Stoff für heiße Diskussionen und beim Anblick der lebendigen Akteure der Geschichte dürfte es an Spannung nicht gefehlt haben.
In letzter Zeit scheint es stiller um die Politische Runde geworden zu sein. Zwar hat der Vereinigungsprozess Deutschlands wieder starke politische Interessen geweckt: „Gleichwohl!“, schreibt Willy Brandt in seinem Grußwort, „kann ich eine Aufbruchsstimmung nicht registrieren, die der aus den sechziger Jahren ähnlich wäre. Es ist so, als ob ein geschenkter Umbruch auf erschöpfte Kräfte stoße.“ So geht Willy Brandts Appell an die Politische Runde: „Wecken Sie wieder gesellschaftliche Zuversicht; ermuntern Sie die Menschen sich einzumischen; sorgen Sie mit dafür, daß verfallene ideologische und nationale Grenzen nicht durch neue soziale und wirtschaftliche Barrieren ersetzt werden.“
Otto Roche wird also noch genug zu tun haben. Die silberne Nadel für langjährige Mitgliedschaft in der SPD ist ihm sicher. Jetzt, da er aus dem Schuldienst ausscheidet, wird er auch mehr Zeit für die Politische Runde, die Vorbereitungen, die vielen weltweiten Kontakte haben, die seine Reisen und Vorträge erst möglich machen.

Förderer der Kunst

Roche wäre ein schlechter Hoheitsträger des Staates und der sozialdemokratischen Partei, wenn er nichts für die Künste übrig hätte. Er tritt seinerseits als Förderer auf, indem er die Bergische Kunstgenossenschaft (BKG) seit nunmehr zwei Jahren ehrenamtlich leitet. Als Vorsitzender wird er vom Vorstand in künstlerischen Dingen beraten und nimmt vielfältge Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit wahr. Das war und ist sein Hauptgeschäft. Man wird sich Otto Roche nicht zufällig als Vorsitzenden ausgesucht haben. Ein Mann mit immenser Verantwortung.

Zwischenräume für die Stadt

Er wird für Tränen, auch für Glückstränen gesorgt haben, wie jeder, der Macht ausübt und über Wohl und Wehe, Schicksal und Lebensweg anderer Menschen entscheidet. Für die Stadt Wuppertal möchte Otto Roche in Zukunft Zwischenräume schaffen, die spannend sind. Die Künste aus der Ecke ihres Schattendaseins holen, aber auch mit weniger Kommerz Kunst als Kunst und nicht als Aktie verständlich machen.

Thomas Illmaier

Wupper Nachrichten, 25. Juli 1992, S. 3


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