Zwischen Klassik und Romantik

Während der Hochsommerzeit öffnet das Von der Heydt-Museum in Wuppertal seine Schatzkammern mit deutscher Druckgraphik des Klassizismus und der Romantik. 260 Druckgraphiken aus eigenen Beständen; Werke von Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und vielen anderen erwarten den Besucher (bis 12. September). Die ,,Heroischen Landschaften“ von Johann Christian Reinhart und Josef Anton Koch sind ebenfalls ein wichtiges Denkmal dieser Zeit.
Die Geister schieden sich in Anhänger des Klassizismus und der Romantik. Goethe hing nach anfänglichen Rückbesinnungen auf Gotik und Mittelalter zeitlebens der Klassik an, und das bedeutete: das Schönheitsideal der Griechen und Römer, die Erhebung der Idealität zur Wirklichkeit oder - wie es die Maler sehen - als Objektivierung der Wirklichkeit durch das Ideale.
Die Romantiker gingen andere Wege. Sie illustrierten den Faust und das Nibelungenlied nicht in ,,klassischer“ Weise. Auch die Bedeutung der Religion, des christlichen Glaubens nahm eine andere Stellung ein. Sogar die Sehnsucht nach einer ungeteilten Kirche, nach Katholizität und Kult, schrieben viele Romantiker auf ihre Fahnen. Eichendorff nennt den Inhalt der Romantik „wesentlich katholisch, das denkwürdige Zeichen eines fast bewußtlos hervorbrechenden Heimwehs des Protestantismus nach der Kirche“.
Diese fast kosmische Universalität, fernab von der Sentimentalität des Pietismus, kennzeichnet denn auch die großen Romantiker der Malerei, vor allem Caspar David Friedrich. Der mit der Romantik gepaarte Naturenthusiasmus kommt besonders bei Philipp Otte Runge zum Ansdruck: ,,. . . ich höre und fühle den lebendigen Odem Gottes, der die Welt hält und trägt, in dem alles lebt und wirkt: hier ist das Höchste, was wir ahnen – Gott!“ Runges Bilder des Zyklus ,,Vier Zeiten“ sind als Symbole des Lebens zu verstehen: der Morgen, der Tag, der Abend, die Nacht bestimmen das göttliche Leben des Menschen.
Goethe sah in der Kunst Runges das Geniale, Einmalige; doch fand er, ,,den Gang, den er (Runge) nahm, war nicht der seine, sondern der des Jahrhunderts, von dessen Strom die Zeitgenossen willig oder unwillig fortgerissen werden“. Tatsächlich fühlte die Jugend romantisch, und das hielt sie auch in den Befreiungskriegen gegen Napoleon fest zusammen.
Goethe förderte besonders durch die Weimarer Preisaufgaben (einen Künstlerwettbewerb) die zeitgenössische Kunst im Sinne seiner klassischen Ideale. Erstaunlich, daß er kaum von der klassizistischen Landschaftskunst eines Reinhart oder Anton Koch Notiz nahm. ,,Möglicherweise“, schreibt Antje Zimmermann im Katalog, ,,war sein Interesse doch insgesamt zu sehr von der immer noch höher bewerteten Figurenkunst des Klassizismus beansprucht.“
Thomas Illmaier

Christ in der Gegenwart, 32/1993, S. 264



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