Die Zahl der Anrufer stieg um ein Vielfaches
26. 10.: Politische Runde zur Telefonseelsorge

Wuppertal. Neben anderen ist es vor allem die Telefonseelsorge, die psychisch Verletzten erste Hilfe und Beistand leistet. In Wuppertal, das ,,ein frommes Pflaster“ sei, so Telefonseelsorger Pfarrer Wamser, gibt es eine ökumenische Telefonseelsorge, die von den evangelischen Kirchengemeinden Barmen und Elberfeld sowie vom katholischen Stadtdekanat getragen wird. Mit mehr als hundert ehrenamtlichen Mitarbeitern ist sie wahrscheinlich der größte ,,psychologische Stab“, den die Stadt in psychischen Notfällen aufzubieten hat. Allerdings kümmert sich die Stadt wenig um die Aufgaben der Telefonseelsorge, obwohl die psychohygienische Versorgung der Bevölkerung insgesamt doch eindeutig in das Ressort von Kommunen, Ländern und des Bundes fällt.
Gegenüber 1982 ist die Zahl der Anrufer pro Jahr – die Mitarbeiter der Telefonseelsorge arbeiten rund um die Uhr – um ein Vielfaches gestiegen. Während es 1982 nur 7500 Anrufe waren, ist die Zahl auf 12000 im Jahr 1991 gestiegen. Das sind rund dreißig Telefonate pro Tag. Vor allem Ehe und Partnerschaft, Krankheit und Behinderung, Einsamkeit, Sexualität und Sucht sind die Themen, die Betroffene mit dem Seelsorger besprechen möchten.
Für diesen Dialog am Telefon werden Mitarbeiter ein ganzes Jahr lang geschult, bevor sie selbst beratend am Telefon tätig werden können. Verstehen und Beraten sind Trumpf, es soll nicht geurteilt werden. Eher ist der barmherzige Samariter das Vorbild des christlichen Seelsorgers am Telefon: Er fragt nicht nach Herkunft und Glaubenszugehörigkeit. Sein Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe; die Aufforderung: ,,Steh auf und geh!“
Telefonseelsorge ist anonym. Nicht einmal Namen werden genannt. Anonymität aber zeigt sich, hat auch ihre Fallstricke: Die Telefonseelsorge selbst läuft nämlich Gefahr, in die Anonymität abgedrängt zu werden und als eine Art ,,Mauerblümchen“ ein Schattendasein am Rande der Gesellschaft zu führen. Zwar ein Teil kirchlicher Sozialarbeit, aber eben doch schnell vergessen oder verkannt. Zudem sind die Erfolge der Telefonseelsorge schwer nachweisbar. Sie spielt sich ja in einem ,,echolosen Raum“ ab: Wenn der Hörer auf die Gabel fällt, ist das Gespräch beendet.
Die ,,Politische Runde“ unter der Leitung von Otto Roche an der Volkshochschule Wuppertal (VHS) wird nach mehreren Veranstaltungen in einzelnen Wuppertaler Kirchengemeinden nun eine der Adressen sein, die das Anliegen der Telefonseelsorge einmal mehr öffentlich ins Gespräch bringt. Hier wird Pfarrer Manfred Wamser am 26. Oktober, 19.45 Uhr, zum Thema ,,Fakten und Probleme der Telefonseelsorge am Beispiel Wuppertals“ referieren. Die ,,Politische Runde“ trifft sich im Forum der VHS, Auer Schulstraße 20.

Thomas Illmaier/red

DER WEG, 41/1992


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