Frauenmuseum Bonn vergibt Gabriele Münter Preis
Endlich vierzig
Begabung alleine reicht nicht aus. Kunst braucht Förderung
und Anerkennung. Aber von jeder Mark, die im Bereich Kunst investiert wird,
fließen noch immer 85 Pfennige in die Taschen von Männern. Künstlerinnen
erhalten von der harten DM ganze 15 Pfennige. Und so ist in der Kunst die
spezifische Sichtweise von Frauen deutlich unterrepräsentiert.
In Bonn gibt es seit
1981 das Frauenmuseum – das einzige in Deutschland. Bisher wurden über
240 Ausstellungen, Arbeiten von insgesamt 1.250 Künstlerinnen, gezeigt
– ein Podium für die Wahrnehmung der von Frauen geschaffenen Kunst.
Ein erster und großer
Schritt, das Ungleichgewicht gegenüber männlichen Kollegen aufzuheben,
war die Auslobung des Gabriele Münter Preises durch die Bundesministerin
für Frauen und Jugend, Dr. Angela Merkel. Der mit 40.000 DM dotierte
Preis wurde in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben, und zugleich wurde das
Preisgeld geteilt. Es ging an Thea Richter aus Dresden für ihr „Marat-Projekt“
und an Gudrun Wassermann für ihr „Röntgenfenster“. Daß
damit eine ostdeutsche sowie eine westdeutsche Künstlerin geehrt wurden,
ist ein erfreulicher Zufall.
In der Tat gehört
Thea Richters ,,Marat-Projekt“ zum Ausdrucksstärksten zeitgenössischer
Plastik als Environment. Nicht Marat, sondern eine Frau liegt in einer Zinkbadewanne.
Ist es die Mörderin Charlotte Corday, die den Jakobiner Marat in der
Badewanne erstach? Oder soll sie selbst erstochen werden?
Gudrun Wassermann
lädt in ein nicht minder dunkles Reich ein, in dem Phantome herrschen
und seltsame Klänge ein Zwischenreich kreieren, das faszinierend unheimlich
wirkt. Eine Domäne der Frauen? Zur Verdeutlichung liegt für den
Besucher eine Seite aus dem Buch „Lob des Schattens“ {Manesse)
von Tanizaki Jun‘ichiro aus. Zu den Preisträgerinnen gesellen sich
38weitere Künstlerinnen, deren Werke unter dem Titel „Endlich 40“
vom Frauenmuseum gezeigt werden. Endlich 40; denn mit Vierzig beginnt für
viele Frauen erst die eigentlich kreative Phase, nachdem die Kinder flügge
geworden sind.
Das Frauenmuseum Bonn erforscht derzeit die Bestände deutscher Museen
nach Frauenkunst. Wie groß ist eigentlich der Bestand? Eine wichtige
Frage ist die Repräsentation der Frau in der Geschichte des gesellschaftlichen
Lebens. So wird das Frauenmuseum vom 25. September 1994 bis in den März
1995 die Ausstellung „Spätmittelalterliches Stadtleben der Frauen
am Rhein“ zeigen. Diese Ausstellung geht über die Historie hinaus:
Künstlerinnen von heute werden das Ausstellungsthema aufgreifen und in
ihrer eigenen, zeitgenössischen Kunst widerspiegeln. So entstehen Szenarien,
die traditionsbildend, zugleich aber auch zukunftsweisend sind.
THOMAS ILLMAIER
Frauenmuseum, Im Krausfeld 10, Bonn: Endlich VIERZIG. Bis 4. September, Di-Sa 14-17, So 11-17 Uhr. Katalog 40 DM. Tel. 0228/501344.
Neues Deutschland, 17. Aug. 1994, S. 10.