DER
SUMTSEK TEMPEL
THOMAS ILLMAIER
Roger Goepper und Jaroslav Poncar haben in fast zwanzigjähriger
Forschungsarbeit die Fresken des Sumtsek Tempels im Dorf Alchi dokumentiert.
Der Sumtsek Tempel aus dem 12. Jahrhundert liegt auf einer Schwemmlandterrasse
am Südufer des Indus, in der unmittelbaren Nähe einer früher
bedeutsamen Handelsstraße, die das westliche Tibet mit der blühenden
Kultur Indiens in Kaschmir verband.
Der gesamte dreigeschossige
Tempel (,,Sumtsek“) zeigt Buddhas, Boddhisattvas, Mandalas in großer
Zahl, Götter und Dharmaschützer, wie sie für den indisch geprägten
Stil der tibetisch-kaschmirischen Kunst typisch sind. Während im Obergeschoß
des Tempels die Mandalas mit ihrer kosmologischen Symbolik überwiegen
– hier wurden die Initiationen vorgenommen, zeigen die übrigen
Räume auch weltliche Szenen mit ihren Darstellungen von Königen,
Adeligen und Priestern, mitunter in geradezu lasziver Kleidung, die –
so nimmt man an – für die damalige Kultur Westtibets und Kaschmirs
üblich gewesen sein muß. Was die Überlieferung dieser buddhistischen
Kulturschätze so einzigartig macht, ist die Tatsache, daß hier
genau jene Periode buddhistischer Kunst zur Darstellung kommt, wie sie kurz
vor der Auslöschung um 1200 durch den Islam noch einzigartig in der Welt
dastand.
Roger Goepper, Direktor
Emeritus des Museums für Ostasiatische Kunst in Köln, lehrt an der
Kölner Universität Kunstgeschichte Ostasiens, insbesondere des Buddhismus.
Jaroslav Poncar ist Leiter des Fachbereichs Fotoingenieurswesen an der Fachhochschule
Köln und hat die Malereien in Alchi seit mehr als fünfzehn Jahren
dokumentiert.
Roger Goepper/Jaroslav Poncar: Alchi. The Sumtsek Sanctuary. Hirmer Verlag.
München, 1997.
Ursache & Wirkung, 21/1997, S. 47.